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Friday, August 7, 2020

Ein Ort nah am Himmel - Die Tagespost

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Die archäologische Fundstätte Al-Maghtas
Die Kuppel der Kirche der archäologischen Fundstätte al-Maghtas im Sonnenuntergang. Die Taufstätte, etwa 60 Kilometer südwestlich der Stadt Amman, steht auf der Liste des Weltkulturerbes. Foto: dpa

„Wir empfehlen jedem, mindestens drei Stunden an diesem Ort zu verweilen.“ Das rät der lutherische Pfarrer Jonas Bodin, der von 2016 bis 2019 in Jordanien an der traditionellen Taufstelle Jesu, „al-Maghtas“, im Pilgerzentrum der lutherischen Kirche seelsorgerisch tätig war. Gruppen aus Hongkong und den USA, aus Tasmanien und anderen Weltgegenden empfing der aus Schweden stammende Pastor. „Tiefe spirituelle Erfahrungen miteinander teilen und sich gegenseitig begleiten zu können, wenn auch nur für kurze Zeit, ist ein großer Segen“, fasste der Pfarrer seine Erfahrungen zusammen, die er für das Magazin „Im Lande der Bibel“ verschriftlichte. Immer wieder erlebte der Theologe jedoch, dass viele Reisegruppen sich angesichts „voll verplanter“ Reiseprogramme nur 45 Minuten für die Taufstätte Jesu Zeit nehmen.

Ein Pilgermagnet in Jordanien

Für diesen Pilgermagnet – auch Bethanien jenseits des Jordans genannt – sucht das jordanische Königshaus nun Investoren und internationale Geldgeber. König Abdallah II. hat den Tourismus als lebenswichtig für die jordanische Wirtschaft und das Königreich bezeichnet. Die traditionelle Taufstelle Jesu ist dabei nur einer von mehreren Orten, für die internationale Investoren gewonnen werden sollen.

Jordanien kann nicht nur mit großartiger Wüstenkulisse, abenteuerlichen Wadis, Nabatäer-Erbe, römischer Vergangenheit und Kreuzfahrerarchitektur aufwarten, das Königreich ist Heiliges Land. Die nach archäologischen Befunden authentische Taufstelle Jesu liegt auf der Ostseite des Jordanflüsschens. Dass das wüstenartige, karge, menschenleere militärische Sperrgebiet östlich des Jordanrinnsals überhaupt zu neuem Leben erwachte, ist dem derzeitigen König zu verdanken. Bald nach der Thronbesteigung 1999 erklärte er 350 000 Quadratmeter Land zum Nationalpark und stellte allen Konfessionen Grundstücke für die Errichtung von Kirchen und Pilgerherbergen zur Verfügung.

Eines Tages sollen hier zwölf Kirchen stehen

Mittlerweile sind sieben Kirchenbauten sowie ein Informationszentrum für Besuchergruppen samt Tagungsstätte entstanden – eines Tages sollen es zwölf Kirchen sein. Dann wird die römisch-katholische Kirche laut Internetseite www.baptismsite.com mit 30 000 Quadratmetern über den „größten Kirchenkomplex des Nahen Ostens“ verfügen. „Dass so etwas möglich ist in einem islamisch geprägten Land, ist nicht selbstverständlich“, meint Heilig-Land-Kenner Dr. Georg Röwekamp, der den Deutschen Verein vom Heiligen Land in Jerusalem vertritt. Er erachtet es als „großen Gewinn für Pilgerreisen nach Jordanien, dass die Taufstelle Jesu zugänglich gemacht worden ist“. Das sei eine biblische Stätte, „die quasi von Anfang an zum ,Pflichtprogramm‘ aller Pilger gehörte“.

Dass dort die in Jordanien vertretenen Kirchen Gotteshäuser errichten durften und weiterhin dürfen, ist für Röwekamp „ein eindrucksvolles Zeichen für das gute Miteinander der Konfessionen und Religionen im Haschemitischen Königreich“. Dessen neueste Ambitionen sieht der Theologe jedoch skeptisch-kritisch: Zum einen verweist er auf die Nähe der Hotels am Toten Meer, die seiner Meinung nach den Bettenbedarf gut decken können, zum anderen auf die Corona-Pandemie. Jordanien ist bisher mit circa 1 200 Infizierten, aktuell fünf Neuinfektionen am Tag und insgesamt elf Todesfällen vergleichsweise glimpflich davongekommen; in Israel beklagt man dagegen eine 50mal, im palästinensischen West-Jordanland eine etwa zehnmal so hohe Zahl an Infizierten. „Ob allerdings gerade in diesen Zeiten, wo aufgrund der Corona-Pandemie nicht abzusehen ist, wann der Tourismus wieder möglich ist“, Bedarf für neue Bauvorhaben besteht, erscheint Röwekamp „mehr als zweifelhaft“. Nicht wenige Reisegruppen fahren nicht nur ins Königreich, sondern entscheiden sich für eine Kombi-Reise nach Jordanien, Israel und Palästina.

Die Motivation des Königs ist umstritten

Der theologische Leiter von Biblische Reisen GmbH in Stuttgart, Thomas Maier, kennt die Taufstelle ebenfalls bestens, ja er sitzt sogar im Auftrag der EKD im internationalen Gremium Bethany Beyond Jordan Board, welches über das eingangs erwähnte Pilgerzentrum der Evangelisch-lutherischen Kirche Jordaniens und des Heiligen Landes (ELCJHL) die Aufsicht ausübt. Gruppen, die mehr Zeit an der Taufstelle verbringen möchten, empfiehlt Maier das „stimmungsvolle, direkt am Jordan gelegenen Russische Pilgerhaus“. Alternativ böten sich, da ist er sich mit Röwekamp einig, die Hotels in Sweimeh am Toten Meer an. Auch er äußert dieser Zeitung gegenüber Bedenken bezüglich der Investitionsabsichten des Königshauses. Welche Motivation, welches Ziel treibt den König da an? Maier verweist auf die andere Seite des nicht einmal zehn Meter breiten Jordans und mutmaßt: „Der Taufstellen-Massenbetrieb an der gegenüberliegenden israelischen Seite weckt natürlich Begehrlichkeiten. Ich kann nachvollziehen, dass man nun auf jordanischer Seite versuchen möchte, durch entsprechende Investitionen die Taufstelle Jesu verstärkt zu vermarkten.“ Maier hält jedoch die vorhandene Infrastruktur der Taufstelle für völlig ausreichend. „Manchmal ist weniger tatsächlich mehr!“, lautet seine Überzeugung.

Befremdend hohe Eintrittspreise

Wolle Jordanien mehr Besucher an die Taufstelle locken, sollte man auf die Erhebung einer Eintrittsgebühr verzichten, meint Thomas Maier. Den aktuellen Eintrittspreis hält er für „befremdend“ und „recht hoch“. Schließlich, gibt der Theologe zu bedenken, handele es sich um eine Pilgerstätte. Da sollte der Zugang gratis möglich sein. Vom Taufort Jesu auf jordanischer Seite, 2015 zum UNESCO-Welterbe erklärt, ist Maier nach wie vor sehr angetan. „Er besticht durch seine Schlichtheit und das völlige Fehlen jeglichen religiösen Kitsches.“ Wäre es damit vorbei, sollte das Investitionsansinnen des Königshauses umgesetzt werden?

Richtiggehend „glücklich“ war Monsignore Max Pinzl aus dem Bistum Passau, als er nach vielen Heilig-Land-Reisen endlich einmal die Taufstelle Jesu in Jordanien besuchen konnte. Damals sah der langjährige Vorsitzende des DVHL in seiner Diözese die Ruinen der „alten Kirche und die zwei neuen Kirchen“. Das neue Investitionsvorhaben des Königshauses besorgt ihn, „dass die Wirtschaft Jordaniens damit angekurbelt, aber möglicherweise das Ökosystem nachhaltig geschädigt wird“. Das wäre in seinen Augen eine Katastrophe für die unberührte Natur dieser Region.

Ein theologischer Bogen von Mose bis Jesus

Das seit zehn Jahren bestehende evangelisch-lutherische Pilgerzentrum an der Taufstelle bietet Pilgern und Touristen jetzt schon einiges: Rundgänge auf dem Tell Elijah, wo nach biblischer Überlieferung der Prophet Elijah in den Himmel auffuhr, zur Taufstelle Jesu und zur Kirchenruine aus byzantinischer Zeit. Gruppen können außerdem Kirche und Tagungsstätte für Begegnungen, Gottesdienste, Taufen und Tauferneuerungsliturgien nutzen. Falls gewünscht, kann das Zentrum auch Gottesdienste direkt am Jordanufer ermöglichen. Zudem ist es angemessen gekleideten Pilgern gestattet, auch die orthodoxen Kirchen mit ihren wunderschönen Ikonostasen zu betreten und dort zu beten und zu meditieren. Theologe Röwekamp gibt gegenüber unserer Zeitung Folgendes zu bedenken: „Insgesamt ist der Besuch für jede Gruppe ein Gewinn – kann man doch hier theologisch-biblisch einen weiten Bogen spannen von Mose über Elijah bis zu Johannes und Jesus.“

Pfarrer Jonas Bodin hat seine Zeit im Pilgerzentrum als Segen und Herausforderung erlebt, lebt man doch weit abgelegen in der Wüstenwildnis, ohne Nachbarn, ohne soziales Umfeld. „Es ist ein besonderer Ort, ein Ort nahe am Himmel“, urteilt er trotz allem oder vielleicht gerade deswegen. Mit Gruppen hat er oft die Erfahrung machen dürfen, „dass der Himmel hier offen ist und der Geist uns hier an diesem Ort besonders bewegt“ . Kann man etwas Schöneres über eine heilige Stätte sagen?

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August 08, 2020 at 12:02AM
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