Nicht immer muss der Ortsname Öd etwas mit Verödung zu tun haben. Das beste Beispiel dafür ist der Ortsteil Watschöd bei Oberaudorf.
Gerhard Polt ist nicht nur als Kabarettist hervorgetreten, sondern auch als Filmregisseur und als Autor eines Theaterstücks: „Die Exoten“. Dieses satirische Drama wurde 1985 am Residenztheater München uraufgeführt und zeigt auf, was passiert, wenn lokalpolitische Entscheidungen dazu führen, die Bewohner eines bayrischen Ortes zu Exoten in der eigenen Heimat werden zu lassen. Primär ging es um die unkontrollierte Ausweisung von Bauland, was zu einem Ausverkauf des Areals und zu einer – zunächst ungewollten – Verstädterung, ja Verödung dieses Ortes führte. Keine Überraschung, wenn der Ort bei Polt „St. Öd“ heißt. Und er ist zudem ein Pseudonym für Ober- und Niederaudorf!
Ortsnamen mit dem Begriff „Öd“ finden sich naturgemäß im Flachland. Im Aiblinger Hinterland, auch im Rosenheimer Gäu, etwa bei Stephanskirchen, sowie im Chiemgau, so bei Rimsting oder Wildenwart, gibt es mehrere Ortschaften mit dem Namen „Öd“. Wie Hans Meixner in „Die Ortsnamen der Gegend um Rosenheim“ schreibt, sind sie „Siedelungen in einsamer, noch nicht kultivierter Gegend, zumeist Einzel-Hofausbauten grösserer (sic) Ortschaften“, womit sie in der Satire Gerhard Polts allerdings das genaue Gegenteil verkörpern: Keine Spur von Einzel-Hofausbauten, sondern zahllose dicht aneinander gedrängte Hoch- und Reihenhäuser.
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Aber hat der Name „St. Öd“ für Oberaudorf bei Polt neben der übertragenen Bedeutung auch einen realen Hintergrund? Tatsächlich erwähnt Hans Meixner 1920 noch ein „Öd“ im Raum Oberaudorf! Doch in neueren Verzeichnissen zu Oberaudorf fehlt ein derartiger Ortsname.
Aber halt! Da gibt es den Namen „Watschöd“ in der Gemeinde. Nur: Diese Ortschaft befindet sich nicht im Flachland, sondern hoch droben am Berg! Genauer: An der Sudelfeldstraße, ein paar Kilometer hinter Agg.
Sprachkundiger Stammtisch
Gerhard Polt hätte sich im Falle von Watschöd aber nur von der Schreibung des Namens inspirieren lassen können, denn die örtliche Aussprache lautet: „Waatsched“. Das a ist hell, das ö ein kaum hörbares e. Keine Spur von einer Öde oder „Eed“. Wir verlassen uns hier auf den sehr sprachkundigen Stammtisch des Gasthofs „Hummelei“ in Watschöd 1. Zudem zeigt auch die Wissenschaft, warum Watschöd keine Öde ist.
Auf kleines Gut zurückgeführt
Im Salbuch des Schlosses und der Herrschaft Auerburg von 1478 findet sich der „Wadschayder von Watschad“. Meixner erklärt hierzu: „Zugrunde liegt wohl wátschar (wât Kleidung, schar f. Dienstarbeit, Scharwerk). Grundstück, kleineres Gut, auf dem die Abgabe von Kleidern oder von Steuern zu deren Herstellung lastet.“
Aber führt das wirklich zur Schreibung „Watschöd“? Einfacher täten wir uns mit der Erklärung Fritz Bauers, die dieser 1980 in „Unser Audorf“ abgegeben hat. Watschöd liege in einem uralten Rodungsgebiet und „heißt in den ältesten Urkunden regelmäßig Wegscheid“. Tatsächlich: Gleich hinter der Hummelei ist eine Wegscheide! Armin Höfer
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July 09, 2020 at 08:52PM
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Von Ort zu Ort: Watschöd ohne Öde - Oberbayerisches Volksblatt
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