Irgendwo auf der Welt hat zu jeder Tages- und Nachtzeit ein Disneypark geöffnet. Das war eine von vielen Wahrheiten, von denen man sich in der Corona-Zeit verabschieden musste. Vom 16. März an hatten alle sechs Disneylands und -worlds geschlossen, von Shanghai über Paris, Orlando bis Anaheim. Ein ziemlich harter Brocken für viele eingeschworene Disney-Fans, die mit ihren Jahreskarten teilweise mehrmals pro Woche ihren Lieblingsort besuchen, auf der Suche nach der Disney-Magie.
Die echte Welt muss draußen bleiben, denn zwischen andauernder Musikberieselung und Prinzessinnenparaden ist kein Platz für die Realität. „Wenn du in den Park gehst, gibt es keinen Horizont. Nur Disneyland“, sagte John Hench, der Disneyland in Anaheim als „Imagineer“ mitgestaltete, so nennt man in der Disney-Welt die Ingenieure, die Fahrgeschäfte und Paraden erdenken.
Als erster Park eröffnete Disneyland in Shanghai wieder, inzwischen kann man auch Tokio und Paris wieder besuchen, mit allerlei Einschränkungen und Sonderregelungen, die den – so Disneys Slogan –„happiest place on earth“ mit so viel Realität konfrontieren wie noch nie: Überall müssen Masken getragen werden, Feuerwerk und Paraden sind gestrichen, beim Schlangestehen sorgen Gitter für genügend Abstand.
Hong Kong musste dennoch nach einem Monat Betrieb wieder schließen, nachdem dort die Fallzahl wieder stieg. Am umstrittensten ist die Wiedereröffnung von Disneyworld in Orlando, Florida. Obwohl der Bundestaat einer der am stärksten von Corona betroffenen ist, wurde der Betrieb von Freizeitparks erlaubt.
Auf unbestimmte Zeit verschoben
Am 17. Juli sollte auch das Disneyland in Anaheim wiedereröffnen, an seinem 65. Geburtstag. Nachdem sich aber auch in Kalifornien die Lage nicht entspannte, weiterhin Warnstufe „Orange“ für den Staat gilt und noch keine Richtlinien für Freizeitparks entwickelt wurde, wurde der Termin kurzfristig abgesagt - und auf unbestimmte Zeit verschoben. Fans bleibt nun also nur ein Blick zurück - zum Jubiläum erschient nämlich eine große „Disneyland“-Chronik im Taschen-Verlag, die die Geschichte von Disneyland Anaheim von den ersten Entwürfen bis heute nacherzählt.
Für viele ist die Anlage in Anaheim das einzig wahre Disneyland – war es doch der erste und einzige Park, den Walt Disney selbst noch erdachte, erlebte und prägte. Er entstand zu einer Zeit, in der man fasziniert war von Zukunftsfantasien, in der Mikrowellen, Transistoren und Impfstoffe erfunden wurden, die einen beispiellosen Wohlstand und einen Babyboom erlebte, aber gleichzeitig auch die Bedrohung des Kalten Krieges.
In dieser Zeit sollte das Disneyland ein Ort werden, der, wie Disney selbst sagte, „nichts anderem auf der Erde gleicht: Jahrmarkt, Freizeitpark, eine Ausstellung, eine Metropole der Zukunft, ein Ort der Hoffnungen und Träume, der Fakten und der Fantasie.“
Der Gang durch Main Street oder Frontierland zeigt ein Amerika der guten, alten Zeit, zwischen Cowboyromantik und Popcornautomaten. So eingestimmt kann der Besucher seine Sorgen von Heute vergessen und sich auf die Verheißungen des Morgen konzentrieren. Walt Disney wurde gern „Visionär“ genannt.
Dass er seine Vorstellungen auch umsetzte, zeigt sein Disneyland. Hier wurden seine Ideen zu neuen Verkehrsmitteln, effizienter Kommunikation, technischem Fortschritt, sogar Weltraumtourismus erlebbar. Das Tomorrowland zeigt als eine Art Blaupause ganz explizit, wie man sich in den 1950er-Jahren das Leben der Zukunft vorstellte.
Da sind die Raumfahrtattraktionen, die 1955 starteten, 14 Jahre vor der realen Mondlandung. Da war das (1967 wieder abgerissene) Monsanto-House of the Future, mit einer Klimaanlage, die Meeresluft verströmte. Und schnell und leise fährt da die Monorail, die einschienige Bahn, von der Disney sich wünschte, dass sie das Verkehrsmittel eines modernen Amerika werden würde.
Richard M. Sherman, der viele Songs für Disney-Filme und Fahrgeschäfte schrieb, sagte: „Walt dachte immer, die Zukunft würde wunderbar werden.“
Chris Nichols: Walt Disney’s Disneyland. Taschen, 328 Seiten, 40 Euro.
August 01, 2020 at 03:10PM
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Disneyland Anaheim: „Ein Ort, der nichts anderem auf der Erde gleicht“ - WELT
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